Biografisches

1944 in Hamburgs Zentrum (nahe der Uni) unter Bombenangriffen der Briten gesund geboren. Geburtsname: Gerhard, Rufname : Gerd. Vater: dito. Er hatte nicht erwartet, aus Sibirien zurückzukehren. Abitur am Gymnasium Oberalster, das unbelastet nach dem Krieg entstand und einige fortschrittliche Lehrkräfte hatte, die erst nach dem Faschismus studiert hatten oder von ihm traumatisiert waren wie der Maler Otto Quirin Kaiser, der mit uns großartige Kunstausstellungen organisiert hat (zum Beispiel Oskar Kokoschka) und den Malunterricht zur Freude umgestaltete.
Bei der Musterung zum Militär wurde ich als untauglich in die Ersatzreserve II eingeteilt. Meinen Wehrpass gab ich ab, als ich nach Frankreich zog, und meldete mich nicht zurück. So entkam ich der Wehrüberwachung.

1964-1966 Studium der Versicherungsmathematik (Mathe, Physik, BWL, VWL, Jura). Nach zwei Jahren Studium und nur zwei Monaten Praktikum in der Hamburg-Mannheimer Versicherung trotz Blick auf die Außenalster Perspektivwechsel. Ich verließ mit Freuden diese Männerdomäne 3 Studentinnen und 190 Studenten. Wichtig waren die philosophischen Vorlesungen von Carl Friedrich von Weizsäcker über Platons Demokratiekonzept. In meinem Essay über Demokratie habe ich Jahrzehnte später diesen Faden aufgenommen.

1966-1971 Studium von Mathematik, Romanistik, Pädagogik mit dem Ziel, Gymnasiallehrer zu werden.
In den Semesterferien Arbeitseinsätze von der Brauerei (Holsten) über den Straßen-Tiefbau und Hochbau (Steilshoop, Kongresszentrum Hamburg …) zum Versand (Otto) bis ins Büro (Unilever). Alle weiteren Büroerfahrungen haben die ersten Eindrücke vertieft. Zwei Monate Fabrik konnte ich körperlich durchhalten (mit Bier gedopt), das Arbeitsklima war beeindruckend gut und solidarisch, aber wir lebten in verschiedenen Welten. Ich gab nur ein Gastspiel.
Auslandsstudienjahre: 1968/9 Uni Aix-en-Provence in Literatur und Linguistik (Licence in Lettres Modernes) und 1970 Paris-Sorbonne in Linguistik. Dieses Fach gab es in Hamburg nicht am romanischen Seminar. Es war eine Entdeckung und die Sprachwissenschaft hat mich bis heute nie ganz losgelassen. Die offensichtlichsten Spuren islamischer Kultur in Südfrankreich sind geographische Namen. So entstand die Beschäftigung mit dem Islam, den ich lange Zeit nur in Andalusien verortete.

1970-1971 Assistant d’Allemand am Lycee Condorcet in Paris. Die erste bezahlte Stelle, aber nur durch Übersetzungen, Nachhilfe und andere Jobs reichte das Geld. Am Unterricht mit bis zu 35 Schülern ohne disziplinarische Sanktionsmittel bin ich gescheitert und habe die Perspektive Lehrer in einer klassischen Schule verworfen. Das Projekt einer freien Schule in der Honigfabrik, an dem ich einige Jahre später interessiert war, wurde von der SPD torpediert.

1971 Staatsexamen für das Höhere Lehramt in Mathematik, Französisch (Literatur und literarische Übersetzung), Pädagogik in Hamburg. Zum Überleben wurde ich Übersetzer und Dolmetscher (Deutsch-Französisch) beim Fix-Übersetzerdienst und begleitete ausländische Gäste der Bundesregierung bei Hamburg-Besuchen: einen linken Gaullisten aus Lyon, der Angst vor seinen rechten Kollegen hatte und deshalb immer eine Waffe trug, einen reichen Zeitungsherausgeber aus Beirut, der 11.000 DM Kleingeld in der Jackett-Tasche trug, die ich solange verwahrte, wie er zu einer Prostituierten ging…

1971-1975 Promotionsvorhaben über die Negation im Französischen bei Professor Flasche. Wegen seiner rechtsradikalen Ansichten Wechsel zu Professor Stempel über Fremdsprachenerwerb, später bei Professor Krumm. Graduiertenförderung seit Sommer 1973. Kein Abschluss, denn: Professor Jürgen Trabant, bei dem ich studierte, ging für zwei Jahre forschen und bot mir seine Vertretung an.

1975-1977 Hochschullehrer (Wissenschaftlicher Rat und Oberrat) für französische Linguistik am Romanischen Seminar Hamburg (Proseminare I und II) .

1967-1975 Die Studentenbewegung mit unendlich vielen Diskussionen, Demonstrationen und Versammlungen: Die entscheidenden Jahre für meine politische Standortbestimmung, wobei ich die freiheitliche Gesinnung des Elternhauses nie aufgab und alles Schwarz-Weiß-Denken ablehnte. Der anti-autoritäre Geist beflügelte mich, in Frankreich begegnete ich zum ersten Mal Anarchisten, der Kommune-Gedanke zog mich an, aber 1968 verlobte ich mich mit Heide Soltau, 1970 folgte die kirchliche Trauung. Aus der Kirche traten wir noch gemeinsam aus, in meine erste WG zog ich 1975 allein. In der zweiten WG blieb ich von 1977 bis 1988. Sie war nicht kompatibel mit einem Kind.

1972 Die Begegnung mit Manfred Strohm führte mich in eine Kapital-AG, wo undogmatische Linke und Anhänger der Frankfurter Schule so intensiv und gründlich diskutierten, dass wir kaum mehr als hundert Seiten in zwei Jahren schafften. Aber zentrale Begriffe wie Wachstumszwang, Krisennotwendigkeit, Verelendung, Naturzerstörung, Warenfetisch, Kapitalfetisch und Entfremdung sind ins Gedächntis eingegraben. Dann lasen wir die Thesen des SB und beteilgten uns an der Gründung einer Hamburger Gruppe dieser undogmatischen Linken:

1974-1985 Sozialistisches Büro Hamburg. Veranstaltung gegen Repression mit Elmar Altvater und Wolf-Dieter Narr im Audimax.

1974 Fachschaftsrat Romanistik (Mitarbeit bis 1977). Gewerkschaftliche Jugendbildungsarbeit mit Manfred Strohm in der DAG, wo er Jugendbildungsreferent war und große inhaltliche Freiheit durchsetzte (bis 1978).

1977 Begegnung mit Astrid Schmeda im SB. Beginn unserer Lebens- und Arbeits-Beziehung.

1977-1997 Manfred Strohm und Gerd Stange beschließen, eine freie Bildungsstätte aufzubauen, in der das Kapital neutralisiert ist (nach den Vorstellungen von Theo Pinkus mit Salecina) und wir ohne Hierarchie gemeinsam arbeiten. Die Projektgruppe besteht aus fünf bis acht Personen. Das Projekt wird vom Mitarbeiterplenum aus Hamburg mitgetragen (ungefähr dreißig Menschen) und einem Freundeverein (ungefähr 150 Menschen) finanziell unterstützt. So entsteht
seit März 1979 der gemeinnützige Verein Autonomes Bildungs-Centrum mit der selbstorganisierten Bildungsstätte für Wochenend- und Wochenkurse mit Unterkunft und Verpflegung in Drochtersen-Hüll zwischen Stade und Cuxhaven, 80 km von Hamburg. Schwerpunkt ist politischer Bildungsurlaub. Die Mitglieder der kollektiven Leitung machen: Projektentwicklung, Seminartätigkeit und Öffentlichkeitsarbeit (insbesondere Programmgestaltung, Infobrief), Hausbau, Instandhaltung, Reinigung, Kochen, Verwaltung. Die Gartenarbeit gilt als Hobby. Die Kaninchen schlachtet der Nachbar, der auch die Außenanlagen pflegt. Allerdings waren die ersten drei Jahre nur Arbeiten auf der Baustelle (Reetdach-Decken, Mauern, Tischlern, Betonieren waren meine Spezialdisziplinen).
Der Verein besteht bis heute mit einer erweiterten Bildungsstätte, denn inzwischen sind alle vier Gebäude ausgebaut, aber er heißt neutral ABC Bildungs- und Tagungszentrum und hat die klassische hierarchische Struktur. Der erste Angestellte war ein Zivi.
1987 haben wir zu Ostern einen kleinen Kongress mit Vertretern aus Alternativprojekten veranstaltet, zu dem u.a. Hans Mönninghoff, Volkhard Brandes, Rainer Langhans kamen.
Astrid und Gerd haben gemeinsam eine (unregelmäßige) Broschüre „Zwischen Hamburg und Hüll“ produziert. Das Layout ging damals mit Quarkexpress. Der Kampf von Forbit gegen Personal Computer, den ich mit Thomas Barthel und Team geführt hatte, war schon Vergangenheit.
1984 Beginn der Körper-Psychotherapie-Ausbildung bei Gerda Boyesen in Biodynamik (neo-reichianisch), Zusatzausbildungen in Psychodrama (Lydia Düsterbeck), Psycho-Orgastik (Ebbah Boyesen), Fortbildungen in Bioenergetik, Hakomi, Tanztherapie.

1986 Geburt des mit Astrid gemeinsamen Sohnes Elmar Schmeda.

1987 Psychotherapeut für Einzelne und Gruppen. Intensive therapeutische Zusammenarbeit mit Astrid Schmeda in Workshops, Jahresgruppen, Fortbildungen für Pädagogen bis Ende der neunziger Jahre. Danach nur noch sporadisch, aber freudig mit einer Männergruppe, deren Entwicklung ich ein Jahrzehnt begleiten durfte.

1988 Frei-Jahr in Katalonien nahe Gerona. Seitdem die Sehnsucht nach den Ländern am Mittelmeer.

1990-1995 Halbe Stelle im ABC. Projektberatung über fünf Jahre mit Manfred Strohm für ein Ökodorfprojekt in Krummenhagen (Mecklenburg-Vorpommern). Supervision für Betriebsratsgruppen (IBM, Lufthansa, Bauer, Daimler).

1997 Umzug nach Frankreich.

1997-2016 Culture & Contact. Zentrum für Bildung und Begegnung mit Astrid Schmeda in der Provence / Südfrankreich. Seminartätigkeit, Organisation von Ausstellungen, Lesungen und Konzerten, Leitung und Verwaltung des Hauses, eines ehemaligen Herrensitzes und späteren Meditationszentrums in Vers-Pont-du-Gard nahe Uzès, das renovierungsbedürftig leer stand und mit acht Parteien plus Bank finanzierbar war. Die Miteigentümer-Gruppe wollte mehrheitlich den Ertrag verbessern, so dass wir (Astrid und Gerd) vorzogen zu verkaufen.
2006 Verkauf der Bastide de Font d’Izières und Fortsetzung unserer Arbeit an neuem Ort, in der Bastide de la Source in Saint Saturnin lès Apt. Mehr als ein Jahr Baustelle, Astrid entwickelte sich zur professionellen Fliesenlegerin. Dann fünf Zimmer für kleinere Gruppen, so dass wir neben Beherbergung und Verköstigung auch wieder Kurse anbieten konnten, aus denen später einige Reiseführer unseres Verlages geworden sind.
Nebenbei arbeiten wir für den Anabas-Verlag, dessen Herausgeber Vilma und Günter Kämpf uns 2007 die Redaktionsleitung vom Lehrerinnen- und Lehrer-Kalender übertragen. Als sie den Verlag verkaufen, entschließen wir uns, einen eigenen Verlag aufzumachen.

2010 im Herbst gründen Astrid Schmeda und Gerd Stange den Verlag Edition Contra-Bass mit 400 € Startgeld als GmbH UG. Im Frühjahr 2012 erscheinen die ersten Bücher, jedes Jahr fünf bis sieben neue Titel. Internetseite: www.contra-bass.de

2016 Verkleinerung. Wir ziehen um an die spanische Grenze von dem Ort Roussillon, auf den wie blickten, in die Landschaft Roussillon nicht weit vom Mittelmeer und reduzieren die Hauskapazität auf drei Gästezimmer. Dieses Haus in Amélie-les-Bains hat nicht dreißig Jahre leer gestanden wie die Bastide in der Provence, sondern nur sechs, aber ein halbes Jahr Baustelle erwartet uns auch hier. Die Themen dieser Region sind neu, doch uns schon bekannt: die spanische Revolution und der Krieg gegen die Faschisten, die Flucht der Republikaner nach Frankreich, die Flucht der deutschen Juden und Intellektuellen vor Hitler nach Spanien, die Unabhängigkeitsbewegungen der katalanischen Nationalisten…

2020 Pandemie, keine Gäste

Übersetzungen

2002 Übersetzung des Essays von Viviane Forrester Van Gogh oder das Begräbnis im Weizen (aus dem Französischen), der in der Edition Nautilus veröffentlicht wurde.

2011 Übersetzung des Romans Enzella von Lucien Vassal (aus dem Französischen).

2013 Übersetzung des ethnologischen Berichts von Bronislaw Malinowski Das sexuelle Leben von Wilden (aus dem Englischen).

2013 Übersetzung des Theaterstücks von Aida Asgharzadeh Überleben ist unser letzter Sabotageakt. Das Nachtvolk (aus dem Französischen).

2014 Übersetzung des Romans von Lionel Duroy Der Kummer (aus dem Französischen).

2017 Übersetzung des Romans von Lionel Duroy Winter der Menschen (aus dem Französischen).

2018 Übersetzung des Romans von Lucien Vassal Fluchtpunkt Marseille (aus dem Französischen).

2019 Übersetzung der Autobiographie von Anne Beaumanoir Wir wollten das Leben ändern
Band 1 Leben für Gerechtigkeit – Erinnerungen 1923 – 1956
Band 2 Kampf für Freiheit – Algerien 1954 – 1965 (aus dem Französischen)

Schriften

Islamische Kultur in Europa.
Die Renaissance-Lüge und der tausendjährige Krieg gegen die Vernunft

(Essay, 2011, Edition Contra-Bass)

Der Voyeur
(Roman, 2012, Edition Contra-Bass)

Die libertäre Gesellschaft
Grundrisse einer freiheitlichen und solidarischen Gesellschaft jenseits des Kapitalismus (Essay, 2012, Die Buchmacherei)

Demokratie ohne Herrschaft & Das Ende der Arbeitsgesellschaft
(Essay, 2014, Edition Contra-Bass)

Islam und Aufklärung.
Türkische Kaffeehäuser in Paris

(Essay, 2016, Edition Contra-Bass)

Terror in Frankreich und seine Hintergründe
(Essay, 2016, Edition Contra-Bass)

Revolutionen. Machtkampf oder Emanzipation
(Essay, 2019, Edition Contra-Bass)

Andrà tutto bene. Alles wird gut wenn wir alles verändern
(Essays von Astrid Schmeda, Renate Langgemach, Gerd Stange, 2020, Edition Contra-Bass)

Vincent & Theo van Gogh: Das Atelier des Südens
(Essay, 2021, Edition Contra-Bass)